Midnight Nation TPB – Top Cow – JMS/ Frank, Sibal, Gorder, Milla
MIDNIGHT NATION ist eine 12 teilige Maxi Serie, die von 2000-2002 bei Top Cow erschien und nun in Form eines Trades in einer günstigen Form wieder uneingeschränkt zugänglich gemacht wurde.
Geschrieben wurde Midnight Nation vom damals in der Comic Welt noch relativ unbeflecktem Joseph Michael Stracynski, wegen der Unausprechlichkeit seines Namens für Amerikaner und der Abkürzungsfreudigkeit eben dieser, besser bekannt als JMS.
JMS hatte zu dieser Zeit schon seine Duftmarke in der Branche hinterlassen. Sein RISING STARS, von dem im übrigen bald eine Art Omnibus mit sämtlichen Material erscheint, war hochgelobt und kommerziell mehr als nur solide. Seine Fanboy credibility hatte JMS zu dieser Zeit aber noch seiner Arbeit an der preisgekrönten Sci-Fi TV Serie BABYLON 5 zu verdanken. Top Cow spendierte JMS nach dem Erfolg von RISING STARS ein eigenes Imprint. JOE'S COMICS war dann relativ kurzlebig. Erschienen sind dort eben MIDNIGHT NATION, die Fantasy Story DELICATE CREATURES und Gary Franks KIN. Zu der Zeit, als MIDNIGHT NATION erschien, begann JMS' Aufstieg zu einem der Superstars unter den Comicautoren. Im Jahr 2001 bekam er von Marvel das Angebot, AMAZING SPIDER-MAN zu schreiben. Gerade die ersten Hefte seines Runs, inklusive der eindrucksvollen 9-11 Ausgabe, gehören für mich mit zu dem Besten, was im nun fast 50 Jahre alten Spidey Franchise gedruckt wurde. Spätere Story Arcs an Marvels Flaggschiff riefen zwar starke Kontroversen unter den Fans hervor, JMS' siebenjähriger Run an ASM gilt aber dennoch als einer der ganz Großen. Aktuell schreibt er für das Haus der Ideen THOR und die Maxi THE TWELVE, für DC wird er in kürze einen Job an THE BRAVE AND THE BOLD antreten. Aufgrund seiner Aktivitäten für Hollywood, er war gerade sehr erfolgreich mit dem Drehbuch zu Clint Eastwoods THE CHANGELING ( DER FREMDE SOHN), scheint JMS nun weniger Zeit in seine Karriere als Comicautor investieren zu können und sich mehr dem lukrativeren Job des Script Lieferanten zu widmen.
Zum Inhalt. Den Plot von MIDNIGHT NATION zu umschreiben, ohne zu viel von der Story preiszugeben, ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Zu Beginn scheint JMS' uns eine Noir Crime Story mit Horrorelementen erzählen zu wollen. Recht schnell wird aber klar, dass er was völlig anderes im Schilde führt. Sein Charakter, Polizist David Grey, muss sich auf eine Reise begeben, um seine Seele zu retten. Diese Reise tritt er in einer Art Zwischenwelt an, in der all die gescheiterten Menschen, die durch das Raster der Gesellschaft fallen, existieren, unbemerkt von ihrer Umwelt. Aber nicht nur die Gescheiterten leben in dieser Welt, sondern auch „the Walkers“, gefährliche, seelenlose Kreaturen. Auf seiner Reise begleitet ihn die mysteriöse Laurel, von der wir nicht viel mehr wissen, als das sie sich verdammt gut auskennt. Für die Reise zu Fuß von L.A. nach NYC haben die Beiden ca. ein Jahr Zeit, bevor Davids Seele verloren geht. Welchen Gefahren muss sich das Paar stellen? Werden sie rechtzeitig in New York ankommen und was wird sie da erwarten? Welche Geheimnisse hat Laurel? .....
JMS' Story hat es wirklich in sich. Die ursprünglichen 12 Hefte sind knapp bemessen für das, was er zu erzählen hat. So ist am Ende eine äußerst kompakte Geschichte entstanden und es wirkt auch sehr erfrischend, das die Story eben nicht aufgeblasen wurde, denn vom Potenzial hätte MN auch sehr gut eine On Going werden können. So wird die eigentliche Reise recht knackig erzählt. JMS konzentriert sich dabei auf die Veränderung seines Charakters. Der Focus liegt aber auf dem Ende, welches einen tollen Höhepunkt der Story bietet. Das ist wirklich nochmal ein Herzschlagfinale, dessen Twists und Turns mir den Atem raubten und mich sehr begeisterten. Hat der erste Teil, also die Reise, beinahe ein hypnotische Wirkung auf mich gehabt, so ist der Showdown dann ein Page Turner. Der gesammelten Form kommt das Pacing dabei sehr entgegen. In einem Rutsch gelesen entfaltet MN seine geballte Kraft, die auch noch heute, nach fast zehn Jahren, sich nicht hinter aktuellen Comics verstecken braucht.
JMS bedient sich bei MN ausgebiebig an christlichen Mythologien. Engel, Teufel, Himmel, Hölle, das ganze Programm. So etwas kann extrem nerven und in die Hose gehen, gerade wenn man überzeugter Atheist ist und von dem ganzen Aberglauben und Mystik Mumpitz, der nunmal mit den Religionen einher geht, eher angewidert ist. Nun erzählt uns JMS aber eine Fantasy Story, und eben nicht den bebilderten WACHTURM. Damit kann ich nicht nur gut leben, ich muss auch zugeben, dass sich der reichhaltige Schatz an christlicher Mythologie hervorragend als Background für eine solche Geschichte eignet, gerade wenn ein gebildeter Mann wie JMS diese schreibt. Vielen ComicleserInnen dürfte ja bekannt sein, dass er gerne mystische Sachen schreibt und das das auch eine große Stärke von ihm ist, sei es so gefeiert wie bei THOR und eben bei MN oder auch so stark diskutiert wie der neue Origin Ansatz bei AMAZING SPIDER-MAN. Dieses Faible für Mythologien zieht sich wie ein roter Faden durch sein Comicwerk.
Aber nicht nur christliche Mythologien werden uns von JMS auf eine angenehme Art und Weise präsentiert. Auf einer gewissen Ebene liest man Gesallschaftskritik heraus, aber ohne einen nervenden, pädagogischen Zeigefinger. Gerade die Schilderungen von verschiedenen Menschen, denen David auf seiner Reise begegnet, warum sie eben durchs „Raster“ gefallen sind, kann ich nur als außerordentlich gelungen bezeichnen. Ebenso subtil verpackt sind die philosophischen Botschaften des Comics.
Außerordentlich gelungen ist auch das Artwork. Zeichner Gary Frank war zu diesem Zeitpunkt noch etwas von seinem Status als Star entfernt, das heißt aber nicht, das er entfernt war von der Qualität gegenwärtiger Arbeiten. Alle Trademarks, die Franks Arbeiten heute so spektakulär machen, sind schon vorhanden. Sei es die Fähigkeit, Mimik der Charaktere exzellent heraus zu arbeiten oder sie eben mit Hilfe seiner sehr ausgereiften Darstellung von Anatomie immer so darzustellen, das man sie gut unterscheiden kann. Eine weitere Frank'sche Spezialität ist das „Sichtbarmachen“ von Kleidung. Bei ihm sieht Kleidung, vor allem die hier natürlich nicht vorhandenen Superheldenkostüme, wirklich nach getragenen Textilien aus und nicht wie Bodypainting. Einzig sein Storytelling ist noch nicht ganz so ausgereift wie an gegenwärtigen Arbeiten. Einige Panels wirken auf mich ein wenig steif. Das ist aber nur eine Nuance.
Geinkt wurden die Pencils von Jason Gorder (#1-#5) und Jonathan Sibal (#6-#12). Beide haben einen tollen Job gemacht und beim Lesen fiel mir der Wechsel auch nicht auf und auch beim direkten Vergleich kann das geübte Auge bestenfalls sehr feine Unterschiede ausmachen. Beide Inker lassen Franks Zeichnungen jedenfalls optimal wirken. Sibal ist nun auch Langzeit Komplize von Frank und hat diesen z.b. auch an ACTION COMICS und SUPREME POWER geinkt. Die Colorierung hat Matt Milla übernommen. Auf Milla's Referenzliste stehen unter anderem ein Großteil der Hefte von JMS' Run an ASM, so zu Beispiel die CIVIL WAR Tie Ins oder auch BACK IN BLACK.
Der Colorierung merkt man am ehesten noch das Alter von MN an. Das soll nicht heißen, das sie schlecht aussieht. Im Gegenteil. Auch heute entfaltet die Colorierung noch eine tolle Wirkung und für die damalige Zeit ist sie ein Knüller. Nun hat sich aber gerade im Bereich der Colorierungen einiges getan in den letzten 8-10 Jahren.
Das Trade ist schön aufgemacht, enthält die Hefte 1-12, den One Shot PRECIOUS THINGS, ein Nachwort von JMS sowie alle Cover. Man bekommt also die volle Ladung für einen mehr als fairen Preis. Die Qualität des Paperbacks, also Druck, Papier, Bindung etc. machen einen hervorragenden Eindruck. Ursprünglich war auch ein preiswertes Hardcover in Übergröße angekündigt , allerdings hat Top Cow da noch ordentlich an der Preisspirale gedreht. Statt der ursprünglichen 34,99 $ kostet es nun satte 100,00 $.
Die Kollegen vom CHECKLIST COMICAST haben MIDNIGHT NATION in der Episode 34 besprochen. Hört euch an, was sie dazu zu sagen haben.
MIDNIGHT NATION im Onlineshop der Comic Combo Leipzig
Montag, 2. März 2009
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